Schwerpunkt: Anders Wohnen, Arbeiten, Leben
Wo alternatives Leben seine Wurzeln hatte – Die Obstbau- und Siedlungsgenossenschaft Eden
So., 25.08.2019
Im Einklang mit der Natur leben, vegetarische Ernährung, gemeinschaftlich wohnen und arbeiten, den Boden der Spekulation entziehen – was wir heute verkürzt mit „Solidarischer Ökonomie“ bezeichnen würden, geht weit über 125 Jahre zurück und hat seine Wurzeln in der Vegetarischen Obstbaukolonie Eden eGmbH in Oranienburg.
Als die Genossenschaft im Mai 1893(!) von 18 hoffnungsfrohen Berliner Vegetariern gegründet wurde, war dies eine Reaktion auf die großen Umwälzungen: die rasant verlaufende Industrialisierung, die Verstädterung und die beengten, krank machenden städtischen Wohnverhältnisse.
Ihre Gründungsziele: Lebensreform, Bodenreform, Wirtschaftsreform. Die damit verbundenen Ideen sind heute, angesichts von Naturzerstörung, Wohnungsproblematik u.a.m., aktueller denn je.
Doch während heutige Projekte …
[Forts.] eines sozial-ökologischen Wandels eher links orientiert sind, gab es unter den Lebensreformern in Eden die unterschiedlichsten Orientierungen (genauere Forschung hierzu steht aus). Im Nationalsozialismus bestand die Siedlung fort, gleichgeschaltet, es gab aber auch das solidarische Verstecken von Flüchtlingen aus dem nahe gelegenen KZ Sachsenhausen.
Nach 1945 nahm die Genossenschaft die Produktion wieder auf. Versuche, den Produktionsbetrieb zu „Volkseigentum“ zu machen, werden zunächst abgewehrt. Da aber die gesetzlichen Bestimmungen nicht länger zu umgehen waren, wurde der Obstverwertungsbetrieb 1972 mit Zustimmung der Generalversammlung der Genossenschaft ein VEB (volkseigener Betrieb) – Grund und Boden blieben in der Hand der Genossenschaft.
Eden hat all die großen historischen
Umwälzungen überdauert und ist heute die älteste, noch bestehende Reformsiedlung.
Aber von einer Blütezeit der Genossenschaft, wirklich von Wachsen und Gedeihen,
lässt sich genau genommen nur für die Zeit bis in die frühen 30er Jahre sprechen:
Schon bald nach der Gründung hatte sich Eden zu einem Musterbeispiel einer erfolgreichen Vollgenossenschaft entwickelt. Ab 1898
wurden in dem eigens gegründeten Obstverwertungsbetrieb Säfte, Marmeladen und
Fruchtmus hergestellt. In Eden gründete sich der Neuform-Verband (1929), zwischen den beiden Weltkriegen war Eden größter Hersteller von Reformwaren
in Deutschland. Zu der 1897 gegründeten Reform-Grundschule, kamen eine
wachsende Zahl gemeinschaftlicher Einrichtungen und künstlerische Aktivitäten
unterschiedlicher Art hinzu. 1914 gab es bereits 80 Häuser mit großen Gärten
(Selbstversorgung!) in Erbpacht und sieben Gärtnereien. In den 30ern zählte die
Genossenschaft 450 Mitglieder.
Den Obstverwertungsbetrieb gibt es schon lange nicht mehr, er wurde von der Treuhand abgewickelt. Heute hat die Genossenschaft etwa 500 Mitglieder, in den „Heimstätten“ von Eden leben rund 1.500 Menschen. Während die Grundstücke ursprünglich 2.800 qm groß waren, sind inzwischen viele halbiert worden. Die frühen Ziele – bezahlbares Wohnen auch für Menschen mit geringem Einkommen, Selbstversorgung, aber auch das, was lange Grundlage der anerkannten Gemeinnützigkeit war: Kultur und Bildung – haben längst nicht mehr die Bedeutung, die das Besondere von Eden ausgemacht haben. Infolge von Sparbeschlüssen (Struktur- und Entwicklungsplan) wurden Einrichtungen ausgelagert und Aktivitäten eingestellt, so dass 2016 die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde.
Die Genossenschaftler*innen sind sich uneins, wohin es mit Eden gehen soll. Gibt es unter den Mitgliedern das Bedürfnis, die ursprünglichen Ziele zu beleben? Ist das Zukunftsweisende der historischen Wurzeln von Eden für sie ein Thema? Und wenn (eher) nicht – welche Hindernisse, welche anderen Bedürfnisse oder Interessen könnten hier entgegenstehen?
Vereinzelte Bestrebungen durch jüngere Genossenschaftsmitglieder, das Potenzial von Eden neu zu beleben, gibt es: z.B. den neu gegründeten Verein re:form.
Was lässt sich aus dem Auf und Ab der „Nachwendezeit“ lernen, wo es in Eden zunächst viele wegweisende Schritte einer (Wieder-)Belebung gab? Was unterscheidet Eden von Wohngenossenschaften?
All dies
kann, wird, sollte Gegenstand des Austauschs sein, der – nach einer Einführung ins
Thema – mit langjährigen und jüngeren Mitgliedern der Genossenschaft vorgesehen ist.
Eine kleine Stärkung (Kaffee/Kuchen) und ein Rundgang sind zusätzlich
eingeplant. Bitte kalkulieren Sie für diesen „Sonntagsausflug“ genügend Zeit
ein. (Bei den Angaben oben im Kopf sind die jeweils ca. 1,5 Stunden für Hin-
und Rückfahrt mit dem ÖPNV nach Eden/Oranienburg
mitgedacht.) Treffpunkt und weitere Information nach Anmeldung ca. 5 Tage vor
dem 25. August.