Schwerpunkt: Politik – Bundestag
Mieter*innen ohne Lobby? – Über Eigentum, Eigenbedarf und Ideen zu einer angemessenen Mietenpolitik
Fr., 14.09.2018
Drastische Mieterhöhungen, fragwürdige Modernisierungen, Eigenbedarfskündigungen und Zwangsräumungen, explodierende Bodenpreise (in Berlin um 77 % allein im Jahr 2017)1. Eine wirksame Lobby scheinen nur Besitzende zu haben und jene, die Wohnungen als Rendite-Objekt nutzen oder Bauland nur zur Spekulation kaufen.
Bezahlbare Wohnungen? Vielleicht noch am Stadtrand. Recht auf
Wohnen? Fehlanzeige. Das im UN-Sozialpakt verankerte Recht, wie auch das nach
Artikel 14 Grundgesetz (GG) zu achtende Gemeinwohl-Prinzip scheinen –
angesichts der Priorität, die dem Schutz von Eigentum zukommt – nahezu
wirkungslos.
Offenkundig lässt ein unzulängliches Mietrecht es zu, dass Menschen in Not
gebracht oder aus ihrer vertrauten Umgebung verdrängt werden.
Während die Zahl der Sozialwohnungen beständig sinkt und die Früchte anderer Kämpfe – um Lohnsteigerungen, höhere Renten und Sozialleistungen – von Mieterhöhungen gleich wieder „aufgefressen“ werden, unterlässt die Große Koalition notwendige Schritte. Sie beschränkt sich auf kosmetische Änderungen etwa bei der Mietpreisbremse oder der Einfamilienhaus-Förderung.
Für bezahlbaren Wohnraum sprechen sich die meisten Politiker*innen aus. Doch würde das nicht eine konsequente Berücksichtigung des Gemeinwohl-Gebots im Mietrecht erfordern? In Artikel 14 Absatz 2 GG heißt es schließlich: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Ideen für eine andere Mieten- und Wohnpolitik gibt es viele. Aber welche Partei, welche Politiker*in tritt für wirksame gesetzliche Regelungen ein? Wer macht sich dafür stark(?) – damit die Mietenpolitik des „Heimat“-Ministers und seiner Unterstützer nicht weitere Tausend um ihre Heimat bringt?
Die Abgeordnete, mit der wir uns im Bundestag zum Gespräch treffen
werden, kennt die Mietenproblematik bestens aus ihrem Wahlkreis. In Kreuzberg als
Kind türkischer Eltern aufgewachsen, tritt sie heute als Bundestagsabgeordnete (seit
2013) für eine „soziale und nachhaltige Stadtentwicklungspolitik“ ein. Bei den
Auseinandersetzungen von stadtpolitischen Gruppen und Mieter*innen-Initiativen um
das Dragonerareal hat sie sich dafür
eingesetzt, dass das 50.000 qm-große Gelände nicht an einen Investor zum
Höchstpreis verkauft wurde. Mit Blick auf die Mietpreisproblematik kann sie
sich auch ein Streikrecht für Mieter*innen vorstellen.
Wieviel Unterstützung findet die studierte Volkswirtin in der eigenen Partei,
in der Fraktion und der Koalition? Wo verlaufen für sie die Grenzen einer noch
tragbaren Politik?
Diese Fragen und die Aspekte, die Sie als Teilnehmende (!) interessieren, sollen Gegenstand des Gesprächs (ca. 1,5 Std.) mit der Bundestagsabgeordneten sein.
Einführend werde ich auf den Austausch vorbereiten und dabei
auch auf zentrale Begriffe wie Eigentum und Eigenbedarf eingehen, wie auch auf
verschiedene Perspektiven und Ideen zu einer anderen Mieten- und Wohnpolitik.
[1] Morgenpost, 15.8.2018, Baulandpreise in Berlin steigen auf Rekordwert https://www.morgenpost.de/berlin/article215091851/Baulandpreise-in-Berlin-steigen-auf-Rekordwert.html